Auch wenn die württembergische Staatsregierung während der Revolution 1848/49 den Bau der Bahnstrecke verzögerte, konnte der Hauptbahnhof Reutlingen 1859 doch noch eröffnet werden. Heute ist er der wichtigste der baden-württembergischen Großstadt. Und niemand wird daran gehindert, mit dem Zug nach Reutlingen zu fahren. Aus allen Himmelsrichtungen bringt euch der IC in wenigen Stunden ins Tor zur schwäbischen Alb, wie Reutlingen sich offiziell bezeichnen darf, da die Stadt mit 17,5 % am Biosphärengebiet Schwäbische Alb beteiligt ist. Geschichtsträchtig ist die Stadt, die ihr vom Bahnhof aus ziemlich einfach zu Fuß erkunden könnt. Selbst den Hausberg Achalm, ehemals Herrensitz des Grafen von Achalm, schaffen gut Befußte locker.
Dort auf dem Berg fanden sich Siedlungsspuren aus vorrömischer Zeit. Während im Stadtgebiet die Hinweise auf Reutlingens Vergangenheit aus der Spätsteinzeit stammen. Mehr über die Stadtgeschichte, vom Spätmittelalter bis zur Neuzeit, erfahrt ihr im Heimatmuseum, einem restaurierten Fachwerkhaus in der Altstadt. Vom Bahnhof aus in zehn Minuten zu Fuß über Marktplatz und Zunftbrunnen erreichbar. Ein näherer Blick auf den Brunnen lohnt sich: Er stellt die ehemaligen zwölf Zünfte dar, die um 1500 entstanden und 1862 aufgelöst wurden.
Hinter dem Brunnen ragt die Marienkirche auf, Wahrzeichen der Stadt und beeindruckendes gotisches Bauwerk von 1247. Von dieser Kirchenkanzel aus hat der schwäbische Reformator Matthäus Alber die Lehren Luthers verbreitet. Ein paar Meter weiter stoßt ihr auf das Spendhaus, das Städtische Kunstmuseum. Schwerpunkt der Sammlungen ist der Hochdruck. Im Mittelpunkt stehen vor allem die Werke der Reutlinger Künstler HAP Grieshaber und Wilhelm Laage. Durch sie wurde der Holzschnitt zur modernen Kunstform. Kunst ganz anderer Art gab es im Pomologischen Institut, nur zehn Minuten vom Spendhaus entfernt. Es war die erste Ausbildungsstätte für Gärtner und Baumwarte in Deutschland, gegründet 1860. Heute ist es eine verwunschene Parkanlage, kurz Pomologie genannt.
Wenn ihr schon mit dem Zug nach Reutlingen gefahren seid, gönnt euch einen Ausflug in die Umgebung, sobald eure Kräfte mit typisch schwäbischen Spezialitäten wie Linsen und Spätzle, Maultaschensuppe oder Sauren Kutteln wieder hergestellt sind. Eine knappe halbe Stunde entfernt, liegt Schloss Lichtenstein in Honau, auf einem steilen Felsen über dem Echaztal. Lasst euch durch das mittelalterliche Märchenschloss von 1840 führen, durch Waffenhalle, Schlosskapelle und Trinkstube, und genießt einen atemberaubenden Blick ins Tal.